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Dating heute? Nur noch Ghosts, Erwartungen & Enttäuschungen

Veröffentlicht am 07. July 2025 | von oneJanik

Dating heute? Nur noch Ghosts, Erwartungen & Enttäuschungen

Ich weiß nicht, wann das alles so schiefgelaufen ist.

Wann Dating zu einem schnellen Spiel geworden ist, bei dem keiner mehr wirklich gewinnen will. Nur noch swipen, tippen, ghosten, next. Gefühle sind wie Einwegflaschen: Man nutzt sie, trinkt einen Schluck Nähe, und wirft sie dann weg, sobald das Etikett nicht mehr glänzt. Früher – und ich rede hier nicht von den 90ern oder so, sondern von vor vielleicht fünf, sechs Jahren – da hat man sich noch Zeit gelassen. Da war es normal, erst zu schreiben, dann zu telefonieren, dann vielleicht mal auf einen Kaffee zu gehen. Da gab's noch so was wie eine natürliche Entwicklung. Heute? Heute musst du in den ersten drei Nachrichten beweisen, dass du "der Richtige" bist, sonst ist schon wieder Game Over. Ich hab versucht, mich daran anzupassen. Ehrlich. Aber das klappt nicht. Ich bin kein Sprücheklopfer, kein Womanizer, kein lässiger Typ mit durchtrainiertem Selfie-Game und „Hey"-Copy-Paste-Nachrichten. Ich bin nicht der Typ, der dir schon am ersten Tag schreibt: "Wann sehen wir uns?" Ich bin der Typ, der erst mal wissen will, wer du überhaupt bist. Ich bin introvertiert. Unsicher. Still. Und gleichzeitig voller Gedanken, die ich niemandem zeige. Ich will keine F+, keinen ONS, kein flüchtiges „Hey was machst du? :)" um 23:41 nach zwei Wochen Funkstille. Ich will echte Nähe. Tiefgang. Gespräche, die nicht nach fünf Sätzen aufhören. Ich will keine Matches. Ich will Verbindung. Aber das scheint heute zu viel verlangt.

Der Widerspruch meines Lebens

Das Komische ist: Beruflich rede ich jeden Tag mit Menschen. Ich bin Bus- und Straßenbahnfahrer. Da sitzen täglich hunderte von Leuten in meinem Fahrzeug. Ich erkläre Touristen den Weg, beruhige genervte Pendler, rede mit Rentnern über das Wetter. Acht Stunden am Tag bin ich von Menschen umgeben, und es funktioniert.

Aber sobald es um mich persönlich geht – sobald ich nicht mehr die Uniform anhabe, nicht mehr die professionelle Rolle spiele – dann wird's kompliziert. Dann sitze ich am Feierabend zu Hause und traue mich nicht mal, einem Mädchen, das ich interessant finde, eine normale Nachricht zu schreiben. Es ist verrückt. Auf der Arbeit führe ich problemlos Smalltalk mit Fremden. Aber privat? Da erstarre ich schon bei dem Gedanken, jemanden anzusprechen, der mir gefällt. Als wäre das was komplett anderes. Als wären das zwei verschiedene Welten mit völlig anderen Regeln. Vielleicht liegt's daran, dass auf der Arbeit alles klar definiert ist. Da gibt's Fahrpläne, Regeln, Strukturen. Da weiß ich, was von mir erwartet wird. Aber beim Dating? Da gibt's keine Bedienungsanleitung. Da musst du improvisieren, spontan sein, "cool" bleiben – alles Dinge, die mir nicht liegen.

Das Tempo-Problem

Ich erinnere mich noch gut an neulich. Da hab ich mit einem Mädchen geschrieben. Anfangs war's ganz nett. Leicht, locker. Wir haben über Musik geredet, über Filme, über unsere Jobs. Nichts Weltbewegendes, aber angenehm. Sie fragte dann irgendwann, ob wir „noch in der Kennenlernphase" seien. Ich dachte: Klar. Was sonst? Wir kannten uns seit einem Tag.

Und dann, zehn Minuten später, kam eine Sprachnachricht. Keine „Hey, ich meld mich morgen"-Nachricht. Sondern eine, in der sie mir sagt, dass sie gerade jemand anderen kennengelernt hat. Und dass der sie noch am selben Tag abgeholt hat. Einfach so. Zack. Nächster. Ich hab da gesessen und wusste nicht mal, ob ich lachen oder heulen soll. Nicht, weil ich sie verloren hätte. Sondern weil das alles wieder mal bewiesen hat: Ich bin zu langsam für diese Welt. Zu vorsichtig. Zu ehrlich. Ich wollte mit ihr erstmal telefonieren, um zu spüren, ob da was ist – sie hatte längst ein anderes Date laufen. Was mich dabei am meisten fertig gemacht hat: Sie hat mir in der Sprachnachricht sogar erklärt, dass sie es schade findet. Dass ich "nichts falsch" gemacht hätte. Aber dass es halt einfach "mehr gepasst" hat mit dem anderen. Mehr gepasst. Nach einem Tag. Nach ein paar Stunden. Und wieder einer dieser Momente, in denen ich mich frage: Was zur Hölle läuft hier eigentlich? Wann wurde Geschwindigkeit wichtiger als Substanz? Wann wurde "sofort treffen" zum Qualitätsmerkmal? Früher war es doch normal, dass man sich erst mal kennenlernt, bevor man sich trifft. Heute ist es verdächtig, wenn du nicht sofort "Ja, wann und wo?" sagst.

Die Apps und ihre Regeln

Dating-Apps sind wie ein Casino. Designed, um dich süchtig zu machen, aber nicht, um dir zu helfen. Jeder Swipe ist wie ein Münzwurf. Jeder Match fühlt sich an wie ein kleiner Gewinn. Aber am Ende verliert die Bank nie.

Die Algorithmen belohnen die, die schnell reagieren, viel schreiben, ständig aktiv sind. Nachdenkliche Menschen wie ich, die erstmal überlegen, was sie schreiben wollen – wir werden nach hinten gespült. Unsichtbar gemacht. Während die "Hey süße, wie geht's?"-Typen ganz oben stehen. Und dann diese ganzen ungeschriebenen Regeln: Es ist ein Minenfeld. Und ich trete gefühlt in jede einzelne Mine rein.

Die Angst vor dem echten Leben

Ich könnte dir jetzt erzählen, dass ich daraus gelernt habe. Dass ich jetzt anders rangehe. Aber das wär gelogen. Ich lerne nichts mehr daraus. Ich stumpfe nur ab. Langsam. Schritt für Schritt. Und das ist das eigentlich Traurige.

Früher dachte ich, man muss nur genug Geduld haben. Dass man irgendwann *die eine* findet, die nicht sofort weiterzieht, wenn man nicht am selben Tag alles liefert. Aber heute? Heute weiß ich: Geduld ist keine Tugend mehr. Sie ist ein Handicap. Zumindest im Dating-Spiel von heute. Denn heute gewinnt, wer lauter ist. Schneller. Dreister. Wer weniger fühlt, aber mehr verspricht. Wer nicht zögert, sondern drängt. Wer nicht fragt: „Wie geht's dir?", sondern: „Wann treffen wir uns?" Und ich? Ich sitze im Bus. In der Bahn. Tag für Tag, zwischen all den Gesprächen, Menschen, Reizüberflutungen. Ich sehe täglich hunderte von Gesichtern. Manche davon sind wunderschön. Manche lächeln sogar mal zurück, wenn unsere Blicke sich treffen. Aber ansprechen? Das traue ich mich nicht. Nicht im Club, weil ich gar nicht erst in Clubs gehe. Zu laut, zu voll, zu überwältigend. Nicht auf der Straße, weil man da als "creepy" gilt, wenn man jemanden anspricht. Nicht mal auf der Arbeit, obwohl ich täglich mit Menschen rede, als wäre es das Normalste der Welt. Es ist paradox. Ich rede beruflich problemlos mit fremden Menschen über alles Mögliche. Aber sobald es um mich geht, um meine Gefühle, um die Möglichkeit von Nähe – dann blockiere ich komplett. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Ich hab Angst davor, ein Mädchen in echt anzusprechen. Nicht, weil ich kein Selbstbewusstsein habe – sondern weil ich gelernt habe, wie schnell man dabei verloren geht. Wie man als „komisch" abgestempelt wird, wenn man mal *nicht* den perfekten Spruch bringt. Wie man auf Ablehnung trifft, selbst wenn man eigentlich nur ehrlich sein will.

Die Einsamkeit der Echtheit

Weißt du, was mich am meisten frustriert?

Dass ich mittlerweile gar nicht mehr weiß, wie Menschen überhaupt ticken. Was sie wollen. Was sie erwarten. Ob man einfach immer ein bisschen lügen muss, um dazuzugehören. Oder ob's doch noch irgendwo diese seltene Spezies gibt – Menschen, die nach was Echtem suchen. Es ist ein verdammt einsames Gefühl, wenn man sich ständig falsch vorkommt. Wenn man weiß: Ich bin nicht kaputt. Ich bin einfach nur nicht mehr kompatibel mit dieser komischen, schnellen, überdrehten Version von Nähe, die heute „Dating" heißt. Ich verbringe Abende damit, auf mein Handy zu starren. Chats zu lesen, die im Nichts enden. Profile anzusehen von Menschen, die wahrscheinlich nie auf mein Profil klicken werden. Nachrichten zu tippen und wieder zu löschen, weil sie sich nicht "richtig" anfühlen. Manchmal frage ich mich: Bin ich zu ehrlich? Zu direkt? Zu emotional? In einer Welt, in der alle versuchen, cool und distanziert zu wirken, falle ich auf, weil ich tatsächlich sage, was ich denke. Weil ich zugebe, wenn mir jemand gefällt. Weil ich nicht drei Tage warte, bevor ich antworte. Vielleicht ist das mein Fehler. Vielleicht sollte ich auch spielen. Vielleicht sollte ich auch so tun, als wäre mir alles egal. Aber dann wäre ich nicht mehr ich. Und was bringt es mir, jemanden zu finden, der eine Fake-Version von mir mag?

Mit 20 schon müde vom Dating

Das Krasse ist: Ich bin noch nicht mal 20. Theoretisch sollte das die beste Zeit meines Lebens sein. Die Zeit, in der man sorglos flirtet, experimentiert, Erfahrungen sammelt. Stattdessen fühle ich mich, als hätte ich schon alles gesehen. Als wäre ich müde von einem Spiel, das ich gerade erst zu verstehen beginne.

Meine Freunde erzählen mir von ihren Dating-Geschichten. Von One-Night-Stands, von Casual-Beziehungen, von Leuten, mit denen sie "einfach Spaß haben". Und ich höre zu und verstehe die Welt nicht mehr. Wann wurde aus "jemanden kennenlernen" diese kalte, berechnende Sache? Früher dachte ich, es liegt an mir. Dass ich zu verkopft bin, zu sensibel, zu kompliziert. Aber je mehr Geschichten ich höre, desto mehr merke ich: Es liegt nicht an mir. Es liegt an der Zeit, in der wir leben. An den Regeln, die irgendwer aufgestellt hat, ohne uns zu fragen. Wir sind die Generation, die mit Tinder aufgewachsen ist. Die gelernt hat, dass Liebe wie Shopping funktioniert: Wenn dir was nicht gefällt, scroll weiter. Es gibt ja noch genug andere Optionen. FOMO in der Liebe. Fear of Missing Out auf jemand "Besseren". Aber was ist, wenn ich gar nicht nach dem "Besten" suche? Was ist, wenn ich einfach nach jemandem suche, der echt ist? Der nicht perfekt sein muss, aber dafür real?

Die paradoxe Hoffnung

Und weißt du, was wirklich wehtut?

Dass ich trotz all dem noch Hoffnung habe. Dass ich jeden Tag aufwache und denke: Vielleicht heute. Vielleicht schreibt jemand zurück. Vielleicht meint es jemand ernst. Vielleicht bin ich doch genug, für jemanden, der auch endlich genug hat von diesem Oberflächenzirkus. Diese Hoffnung ist wie ein alter Freund, der mich nicht loslässt. Auch wenn sie mich schon so oft enttäuscht hat. Auch wenn sie der Grund ist, warum ich immer wieder aufstehe und es nochmal versuche. Immer wieder in diese Apps gehe, die ich eigentlich hasse. Immer wieder "Hey, wie geht's?" tippe, obwohl ich weiß, dass wahrscheinlich nichts daraus wird. Aber diese Hoffnung macht's manchmal noch schlimmer. Weil sie dafür sorgt, dass man immer wieder aufs Neue aufsteht. Wieder in den Chat geht. Wieder einen Text schreibt, der vielleicht unbeantwortet bleibt. Wieder denkt: *Vielleicht bin ich's diesmal wert.* Es ist wie eine Sucht. Diese ständige Erwartung, dass das nächste Match, die nächste Unterhaltung, das nächste Date "das Eine" sein könnte. Dabei weiß ich mittlerweile: Die meisten Unterhaltungen versanden nach drei Nachrichten. Die meisten Matches schreiben nie zurück. Die meisten Menschen sind auf der Suche nach was anderem als dem, was ich bin. Und vielleicht ist das naiv. Aber es ist menschlich. Und genau das will ich nicht verlieren.

Was übrig bleibt

Manchmal denke ich darüber nach, wie meine Eltern sich kennengelernt haben. Auf der Arbeit. Sie haben geredet, und sich am Ende des Abends verabredet. Ohne Apps, ohne Profilbilder, ohne die Angst, dass jeder jederzeit wieder weg sein könnte. Einfach so. Natürlich.

Heute undenkbar. Heute würden sie sich wahrscheinlich matchen, drei Nachrichten schreiben, ghosten, und das war's. Oder einer von beiden hätte parallel schon fünf andere Dates laufen. Ich beneide diese Generation. Nicht wegen der Technologie oder so. Sondern wegen der Einfachheit. Wegen der Möglichkeit, jemanden zu treffen und einfach zu schauen, was passiert. Ohne diesen ganzen Meta-Kram drumherum. Heute musst du schon beim ersten Hallo wissen, was du willst. Beziehung oder nicht? Ernst oder casual? Wie viele andere schreibst du gerade noch? Wie schnell kannst du dich entscheiden? Es ist wie ein Verhör, nicht wie ein Kennenlernen. Und ich stehe da und denke: Kann ich nicht einfach erstmal herausfinden, wer du bist?

Die unsichtbare Generation

Was mich auch fertig macht: Wie unsichtbar wir geworden sind. Die, die nicht ins Schema passen. Die Introvertierten, die Nachdenklichen, die Langsamen. In einer Welt, die nur noch Lautstärke belohnt, gehen wir unter.

Auf Dating-Apps werden wir algorithmisch aussortiert. Im echten Leben überhört. In Clubs und Bars sind wir die, die am Rand stehen und hoffen, dass jemand den ersten Schritt macht. Aber den ersten Schritt machen heute nur noch die, die schon sowieso kein Problem damit haben. Wir sind die Kollateralschäden der Dating-Revolution. Die Generation, die zwischen zwei Welten gefangen ist: Zu jung für die "alte" Art zu daten, zu authentisch für die neue. Und das Schlimme ist: Keiner redet darüber. Alle tun so, als wäre das alles normal. Als wäre es völlig okay, dass Menschen zu Produkten geworden sind, die man bewertet, vergleicht, wegwirft. Als wäre es normal, dass Ghosting Standard ist, dass niemand mehr ehrlich sagt, was Sache ist. Ich will nicht jammern. Aber ich will auch nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Es ist nicht in Ordnung. Und wir müssen aufhören, so zu tun, als wären wir das Problem.

Outro: Für die Stillen unter uns

Wenn du das hier liest und du fühlst irgendwas dabei – dann weißt du, wie es ist.

Vielleicht hast du ähnliche Geschichten erlebt. Vielleicht sitzt du auch manchmal da, mitten in der Nacht, mit einem leeren Chatverlauf und dem Gefühl, irgendwie nie wirklich angekommen zu sein. Vielleicht fragst du dich auch, ob mit dir was nicht stimmt, weil du nicht weißt, wie das alles funktionieren soll. Dann sag ich dir: Du bist nicht kaputt. Du bist nicht falsch. Du bist nicht zu wenig. Du bist einfach nur echt in einer Welt, die lieber alles durchfiltert, glättet, übermalt. Du fühlst noch, während andere längst auf Autopilot daten. Du willst Tiefe, während alle nur noch flach paddeln. Du suchst nach Verbindung, während alle nur sammeln. Und ja, das tut weh. Oft. Immer wieder. Aber bitte – verliere das nicht. Verliere nicht deine Ehrlichkeit, nur weil alle anderen lügen. Verliere nicht deine Langsamkeit, nur weil alle anderen hetzen. Verliere nicht deine Tiefe, nur weil alle anderen oberflächlich sind. Die Welt braucht Menschen wie uns. Auch wenn sie uns gerade nicht sehen will. Denn irgendwann – und sei es in einem völlig unerwarteten Moment – trifft echtes Gefühl auf echtes Gefühl. Und dann ist all das hier nicht umsonst gewesen. Dann merkst du, warum du durchgehalten hast. Warum du dir treu geblieben bist, auch wenn es schwer war. Bis dahin: Bleib du. Auch wenn's schwer ist. Schreib deine Gedanken auf. Rede mit dir selbst. Oder schreib Blogs wie diesen hier, selbst wenn sie kaum jemand liest. Hauptsache, du bleibst bei dir. Hauptsache, du lässt dich nicht verbiegen von einer Welt, die vergessen hat, was wichtig ist. Denn es gibt sie noch – die, die nicht ghosten, nicht vorspielen, nicht weiterswipen, sobald es mal nicht perfekt läuft. Die, die verstehen, dass Liebe Zeit braucht, Geduld, Mut. Die, die wissen, dass die besten Geschichten nicht mit einem Swipe anfangen. Sie sind nur schwer zu finden. Aber glaub mir: Wenn zwei solcher Menschen sich treffen, wird's kein „Match". Dann wird's was Echtes. Was Seltenes. Was Wertvolles. Und das ist alles, worauf ich warte. Worauf wir alle warten. *PS: An alle, die sich hier wiedererkennen: Ihr seid nicht allein. Wir sind mehr, als diese laute Welt uns glauben machen will. Und vielleicht ist das der erste Schritt – zu wissen, dass da draußen noch andere sind, die genauso fühlen wie wir.*

Kein Filter. Kein Taktik-Spiel. Kein „lass mal locker sehen, was draus wird".

Nur Worte. Aus dem Herzen. Für die, die fühlen.

Für die Stillen. Für die Echten. Für die, die nicht aufgeben.